Dürfen sich Vereine politisch engagieren?
Seit Wochen beziehen Millionen Menschen auf landesweiten Demonstrationen und Kundgebungen öffentlich Stellung – für mehr Toleranz und Vielfalt und gegen rechtes Gedankengut in Politik und Gesellschaft. Da liegt es nahe, dass sich auch gemeinnützige Vereine politisch einbringen möchten, um Positives zu bewirken. Doch trotz guter Absichten, müssen Organisationen mit Bedacht agieren, denn politisches Engagement kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.
- Politische Einflussnahme ist kein gemeinnütziger Zweck
- Wer konkrete politische Ziele verfolgt, handelt nicht gemeinnützig
- Politischer Spielraum im Rahmen der Gemeinnützigkeit
- Gesetzliche Kriterien für politisches Engagement von Vereinen
- Erhebliche Konsequenzen bei Aberkennung der Gemeinnützigkeit
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Politische Einflussnahme ist kein gemeinnütziger Zweck
Ein Sportverein will im Ort eine Demo gegen Rechts initiieren, ein Freizeitchor plant einen Auftritt auf einer Klima-Kundgebung und der städtische Kulturverein möchte Spenden für die Kinder im Gazastreifen sammeln. Aber ist das auch erlaubt? Spätestens seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) 2019 im Fall der globalisierungskritischen Organisation Attac herrscht bei gemeinnützigen Organisationen große Unsicherheit, inwieweit sie sich politisch engagieren dürfen. Denn im Urteil des BFH heißt es: „Die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 52 AO.“
Exkurs
Attac ist ein internationales Netzwerk, das sich kritisch mit den Auswirkungen der Globalisierung auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt auseinandersetzt. Der Verein mit dem Satzungsziel politischer Bildung hat sich vor allem einen Namen durch öffentliche Kampagnen, Bildungsarbeit und die Teilnahme an großen internationalen Protesten gemacht. Die Untersuchung durch den BFH kam zustande, nachdem das Finanzamt Frankfurt am Main Attac die Gemeinnützigkeit aufgrund der Verfolgung überwiegend politischer Ziele aberkannt hatte. Gegen diese Entscheidung legte Attac Einspruch ein. Der Fall gelangte schließlich vor den BFH, der urteilte, dass die Aktivitäten von Attac, insbesondere die Beeinflussung der politischen Meinungsbildung und die Durchführung politischer Kampagnen, nicht den gesetzlichen Anforderungen an gemeinnützige Organisationen entsprechen, die in erster Linie soziale, kulturelle oder wissenschaftliche Zwecke verfolgen müssen. Diese Entscheidung des BFH war von großer Bedeutung, da sie die Kriterien für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit in Deutschland klärte und deutlich machte, dass politische Betätigung allein nicht ausreicht, um als gemeinnützig anerkannt zu werden
Wer konkrete politische Ziele verfolgt, handelt nicht gemeinnützig
Nicht ohne Grund werden politischen Aktivitäten von gemeinnützigen Vereinen vom Finanzamt äußerst kritisch gesehen. Der Status der Gemeinnützigkeit impliziert, dass eine Organisation selbstlos zum Wohl der Allgemeinheit agiert und als Gegenleistung hierfür steuerliche Vorteile genießt. Das wiederum zieht steuerliche Erleichterungen für Spender nach sich. Legen Vereine jedoch ein politisches Engagement an den Tag, das dem von Parteien gleichkommt, besteht die Gefahr, dass Dritte durch finanzielle Unterstützung des Vereins politischen Einfluss erwerben und dafür mit Steuerermäßigungen belohnt werden. Aus diesem Grund definiert § 52 der Abgabenordnung (AO) präzise, was unter Gemeinnützigkeit zu verstehen ist, nämlich Tätigkeiten, die nicht nur spezifischen Gruppen zugutekommen, sondern allgemeinwohlfördernd sind, wie etwa Umweltschutz, Kulturförderung oder Sport.
Politischer Spielraum im Rahmen der Gemeinnützigkeit
Dürfen gemeinnützige Vereine also keine politischen Standpunkte vertreten? Das ist kaum realistisch, denn gemeinnützige Arbeit hat indirekt auch politische Auswirkungen. Wer sich ökologische, soziale oder kulturelle Ziele setzt, will damit in der Regel etwas in der Gesellschaft verändern und unterstützt somit ganz automatisch bestimmte politische Entscheidungen oder lehnt andere ab. Die Gemeinnützigkeit lässt also durchaus Spielräume für politisches Engagement. Wer sie nutzen möchte, sollte aber die Grenzen kennen. Klar ist: Die Einflussnahme auf konkrete politische Entscheidungen und die Formung der öffentlichen Meinung zählen nach der geltenden Rechtsauffassung nicht zur gemeinnützigen Vereinsarbeit, sondern fallen in den Zuständigkeitsbereich politischer Parteien.
Gesetzliche Kriterien für politisches Engagement von Vereinen
Ein Verein darf politisch Stellung beziehen, vorausgesetzt dieses dient nachweislich der Verfolgung seiner gemeinnützigen Zwecke, zum Beispiel durch Stellungnahmen oder Teilnahme an Demonstrationen. Ein Naturschutzverein darf zum Beispiel Kampagnen zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen durchführen oder für strengere Umweltschutzgesetze eintreten, solange diese Aktivitäten darauf abzielen, sein Hauptziel – den Schutz der Umwelt – zu unterstützen. Gemeinnützige Organisationen, die sich satzungsgemäß für mehr soziale Gerechtigkeit engagieren, können sich für Gesetzesänderungen einsetzen, die die Lebensbedingungen benachteiligter Gruppen verbessern, wie z.B. Kampagnen für bezahlbaren Wohnraum oder gegen Diskriminierung. Dabei dürfen die politischen Ambitionen aber nicht im Vordergrund der Vereinstätigkeiten stehen. Anhand der folgenden Kriterien lassen sich politisch motivierte Vorhaben überprüfen:
- Politisches Engagement ist zulässig, sofern es der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO konkret genannten Zwecke dient und dieser im Vordergrund steht.
- Das politische Engagement darf nicht über das hinausgehen, was für die Zielerreichung des Vereins notwendig ist. Satzung und Geschäftsführung dürfen keine direkten politische Ziele verfolgen.
- Die geistige Offenheit muss gewahrt und andere Meinungen sowie Diskussionen zugelassen werden.
- Der Verein muss parteipolitische Neutralität bzw. Distanz wahren. Keinesfalls darf sich der Verein in eine Form der politischen Abhängigkeit, etwa durch Spendenfinanzierung, begeben.
- Dem politischen Engagement müssen objektive und sachlich fundierte Inhalte zugrunde liegen. Es muss Wert auf eine sachbezogene und rationale Argumentation gelegt werden.
- Der Verein darf nicht, vergleichbar der Parteiarbeit, parallel mehrere politische Themen aktiv unterstützen und gegen andere Standpunkte opponieren.
Erhebliche Konsequenzen bei Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Das Finanzgericht kann zwar kein Verbot von politischen Aktivitäten oder Stellungnahmen aussprechen, aber es kann dem Verein die Steuerprivilegien entziehen, wenn er die Grenzen überschreitet. Das betrifft sowohl die Körperschaftsteuerbefreiung als auch die Befreiung von der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer in bestimmten Fällen. Infolge der Aberkennung der Gemeinnützigkeit kann das Finanzamt zudem Steuernachforderungen für zurückliegende Jahre stellen, in denen der Verein aufgrund seines angenommenen gemeinnützigen Status von Steuervorteilen profitiert hat. Der Verein darf dann keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen und auch die Spender können ihre Unterstützung nicht mehr steuerlich geltend machen. Zuschüsse, die an die Gemeinnützigkeit gebunden sind, werden obsolet und der Verein verliert seine Reputation.
Tipp: Vereine, die nicht sicher sind, ob sie sich mit bestimmten politisch motivierten Aktionen noch im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegen, sollten geplante Vorhaben wie zum Beispiel die Veröffentlichung von Stellungnahmen, die Teilnahme an Kundgebungen oder gezielte Spendensammlungen vorab mit ihrem zuständigen Finanzamt abstimmen. Dieses entscheidet letztendlich über die Folgen der Aktion auf die Gemeinnützigkeit des Vereins.
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